Der Fertigstellungstermin bei einem Bauvorhaben kann von größter Bedeutung sein. Dementsprechend ist das Konfliktpotenzial groß. Immer wieder werden an die Nichteinhaltung von Fertigstellungsfristen (bzw. im VOB-Vertrag; Vertragsfristen gem. § 5 Abs. 1 VOB/B) Schadensersatz- oder Vertragsstrafenansprüche geknüpft.
Oftmals stellt sich die Frage: Sind "Ca.-Termine" überhaupt verbindliche Vertragsfristen?
Mit dieser Frage hatte sich auch das OLG Hamm (OLG Hamm, Beschluss vom 07.09.2021 - 21 U 10/20; BGH, Beschluss vom 29.03.2023 - VII ZR 880/21) zu befassen.
In dem vom OLG Hamm zu entscheidenden Fall beauftragte der Auftraggeber (AG) den Antragnehmer (AN) mit der Fertigung, Lieferung und Montage von ca. 300 Fenstern. Im Rahmen der Vertragsverhandlungen übersendet der AN dem AG einen Terminplan, nach dem Montagebeginn "ca. sechs Wochen" nach schriftlicher Freigabe der Werkplanung durch den AG sein sollte. Die gesamte Montagedauer war mit "ca. acht Wochen" angegeben. Im Zuge der Vertragsverhandlungen erstellt auch der AG Terminpläne, die konkret bestimmte Fristen enthielten. Diesen widersprach der AN jedoch und übersendete seinerseits angepasste und wiederum mit "ca.-Angaben" versehene Terminpläne. Noch während der Verhandlungen über die einzuhaltenden Termine begann der AN mit den Arbeiten. Es kam zu Verzögerungen. Die Arbeiten dauerten letztlich fast fünf Monate an. Von der Schlussrechnung behielt der AG einen Restbetrag ein und erklärte die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch wegen verspäteter Fertigstellung des Werks.
Zu Recht?
Nein! Ein Verzug des AN mit der Fertigstellung war nicht gegeben. Eine verbindliche Fertigstellungsfrist wurde nicht vereinbart, da die Terminpläne des AN keine hinreichend nach dem Kalender bestimmbaren Fristen enthalten. "Ca.-Angaben" reichen hierfür - so das OLG Hamm - in der Regel nicht aus. Zwar können "ca.-Fristen" ausnahmsweise verbindliche Fristen sein, wenn die Parteien diese eindeutig als verbindlich vereinbart haben und es sich lediglich um einen Toleranzzeitraum handeln soll. Eine solche Auslegung ist jedoch ausgeschlossen, wenn die Fristen - wie hier - auch deshalb zu unbestimmt sind, weil ihre Einhaltung und ihr Beginn von Mitwirkungshandlungen des AG abhängig sind.
Die vom AG selbst erstellten Terminpläne wiederum sind schon nicht Vertragsbestandteil geworden, da der AN diesen widersprochen hatte. Einseitig durch den AG gesetzte Fristen reichen für eine verbindliche Fertigstellungsfrist nicht aus. Die Vereinbarung verbindlicher Vertragsfristen setzt - wie jede vertragliche Vereinbarung - übereinstimmende Willenserklärungen der Vertragsparteien voraus.
Fazit:
Häufig werden wegen Nichteinhaltung von Fertigstellungsfristen Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Voraussetzung für solche Ansprüche ist allerdings die Vereinbarung bindender Fristen, die hinreichend bestimmbar sein müssen. Dafür muss zwar nicht zwingend ein konkreter Termin vereinbart werden, vielmehr genügt es auch, wenn ein Zeitraum oder eine Zeitspanne vereinbart wird, deren Ende konkret (z. B. auch anhand eines vorausgehenden Ereignisses ermittelbar) ist.
Unzureichend sind allerdings neben "ca.-Angaben" auch Angaben wie "im Laufe des Monats", "etwa","Mitte des Jahres" und Ähnliches. Fehlt es an wirksam vereinbarten Fristen, kann es schwierig sein, den Zeitpunkt der Fälligkeit der Fertigstellung genau zu bestimmen. Übergreifend ist in diesen Fällen stets eine Mahnung durch den AG erforderlich, um den AN in Verzug zu setzen.
Zur Autorin:
RAin Stephanie Duda vertritt namhafte Bauunternehmen deutschlandweit in gerichtlichen Großprozessen.
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