Ein Bauwerk ist dann ordnungsgemäß und mangelfrei errichtet, wenn die Ausführung den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Hierunter versteht man folgendes:
„Unter den allgemein anerkannten Regeln versteht man technische Regeln oder Verfahrensweisen, die wissenschaftlich fundiert und in der Praxis allgemein bekannt sind und sich aufgrund der damit gemachten Erfahrungen bewährt haben.“
In der baurechtlichen Praxis werden DIN-Normen regelmäßig mit den vorbezeichneten allgemein anerkannten Regeln der Technik gleichgesetzt. Legt man dem baurechtlichen Mangelbegriff dieses Verständnis zugrunde, so liegt immer dann ein Mangel vor, wenn die Art der Ausführung gegen DIN-Normen verstößt.
Dies hat bspw. der BGH mit Urteil vom 24.05.2013 (V ZR 182/12) entschieden und ausgeführt, dass DIN-Normen die Vermutung in sich tragen, dass sie den Stand der allgemein anerkannten Regeln der Technik wiedergeben.
Hierbei wird jedoch übersehen, dass sich DIN-Normen überhaupt erst etablieren müssen, um als allgemein anerkannte Regel der Technik akzeptiert zu werden. So heißt es in der Grundnorm, der DIN 820-1:2022-12, dort unter 8.1:
„Die Normen des Deutschen Normenwerkes stehen jedem zur Anwendung frei. Sie sollen sich als anerkannte Regeln der Technik etablieren.“
Lediglich bei sicherheitstechnischen Festlegungen in DIN-Normen besteht eine konkrete Vermutung dafür, dass sie fachgerecht, d. h., dass sie anerkannte Regeln der Technik, sind.
Die oben dargestellte Entscheidung des BGH entstammt auch dem für das WEG-Recht zuständigen V. Senat und nicht dem für das Bau- und Architektenrecht zuständigen VII. Senat, sodass fraglich ist, ob der mit besserem „Bau-Know-How“ ausgestattete VII. Senat dies ebenso entschieden hätte.
Völlig zurecht hat daher das OLG Düsseldorf (Urteil vom 09.02.2023 - 5 U 227/21) entgegen der Auffassung des BGH ausgeführt:
„Schon dogmatisch erscheint es kaum zu rechtfertigen, auch solche DIN-Normen, die ihrer Bestimmung nach ausdrücklich erst der Etablierung bestimmter Regeln der Technik dienen sollen, eine Vermutungswirkung zuzusprechen, wonach sie bereits Regeln der Technik darstellen.“
Fazit:
Nicht jede DIN-Norm stellt eine allgemein anerkannte Regel der Technik dar. Nicht jeder Verstoß gegen eine DIN-Norm führt damit automatisch zu einem (formalen) Mangel, sondern nur dann, wenn die Parteien die Einhaltung der konkreten DIN-Vorschrift im Vertrag vereinbart haben, die relevante DIN-Norm damit ausdrücklich zum BauSOLL erklärt worden ist. Ansonsten schuldet der Auftragnehmer "nur" die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik als Mindeststandard und dieser Mindeststandard kann von DIN-Vorschriften abweichen.
Zum Autor:
Rechtsanwalt Jörg Bach ist Gesellschafter und Partner der Kanzlei EISENBEIS PARTNER.
Er ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie für Miet- und Wohnungseigentums-recht und vertritt deutschlandweit namhafte Bauunternehmen und Planerbüros bei der Durchsetzung ihrer Rechte.
Comments