Ansprüche wegen Bauzeitverlängerung geltend zu machen, ist, aus Sicht des Auftragnehmers, schwierig. Sowohl der Schadensersatzanspruch aus § 6 Abs. 6 S. 1 VOB/B als auch der Entschädigungsanspruch nach § 6 Abs. 6 S. 2 VOB/B i.V.m. § 642 BGB erfordern, neben weiteren Voraussetzungen, wie beispielsweise eine Pflichtverletzung des Auftraggebers im Rahmen des § 6 Abs. 6 S. 1 VOB/B oder ein Annahmeverzug des Auftraggebers im Rahmen des § 642 BGB, die substantiierte Darlegung der eingetretenen Behinderungen und deren Auswirkungen auf den Bauablauf. Der BGH fordert eine sogenannte konkrete, bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Behinderung (bspw. BGH, Urteil vom 24. Februar 2005 - VII ZR 141/03).
Die Auswirkung einer jeden einzelnen Behinderung auf den Bauablauf und die sich hieraus ergebenden Konsequenzen so detailliert darzustellen, ist in der Baupraxis kaum möglich. Aus diesem Grund konnten Auftragnehmer regelmäßig auch im Falle von Bauzeitverschiebungen als weitere Anspruchsgrundlage für Vergütungsansprüche auf § 2 Abs. 5 VOB/B zurückgreifen.
Denn in der Mitteilung einer Bauzeitverschiebung durch den Auftraggeber bzw. in der Übermittlung von neuen Bauzeitenplänen, aus denen sich Bauzeitverschiebungen ergaben, wurde eine Nachtragsanordnung im Hinblick auf die Bauzeit nach § 2 Abs. 5 VOB/B gesehen (bspw. BGH, Urteil vom 27. Juni 1985 - VII ZR 23/84; OLG Brandenburg, Urteil vom 25. Juni 2020 - 12 U 59/19).
Auf Basis dieser Anspruchsgrundlage konnte der Auftragnehmer dann Mehrvergütungsansprüche geltend machen, berechnet nach den tatsächlichen Mehrkosten zuzüglich angemessener Aufschläge, ohne, dass es einer konkreten bauablaufbezogenen Darstellung bedurfte. Ging es um die Geltendmachung einer Mehrvergütung wegen Bauzeitverschiebung war § 2 Abs. 5 VOB/B der Joker.
Dies ist nun leider Geschichte!
Mit aktueller Entscheidung vom 19.09.2024 (VII ZR 10/24) hat der BGH - zulasten der Auftragnehmer - seine Rechtsprechung geändert und unter anderem klargestellt, dass weder in der Übermittlung von geänderten Bauablaufplänen noch in der Mitteilung eines Behinderungstatbestandes durch den Auftraggeber eine Anordnung nach § 2 Abs. 5 VOB/B gesehen werden könne. Der BGH führt hierzu (verkürzt) aus:
„Eine Anordnung i. S. des § 2 Abs. 5 VOB/B erfordert eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Auftraggebers, mit der einseitig eine Änderung der Vertragspflichten des Auftragnehmers herbeigeführt werden soll (Fortführung von BGH, IBR 1992, 349).
Ob ein Verhalten oder eine Erklärung des Auftraggebers als Anordnung i. S. des § 2 Abs. 5 VOB/B auszulegen ist, beurteilt sich nach §$ 133, 157 BGB. Liegt eine Störung des Vertrags aufgrund einer Behinderung vor, die faktisch zu einer Bauzeitverzögerung führt, und teilt der Auftraggeber dem Auftragnehmer den Behinderungstatbestand und die hieraus resultierende Konsequenz mit, dass die Leistungen derzeit nicht erbracht werden können, liegt nach diesem Maßstab keine Anordnung i. S. des § 2 Abs. 5 VOB/B vor. Auch die Übermittlung von Bauablaufplänen stellt keine Anordnung des Auftraggebers i. S. des § 2 Abs. 5 VOB/B dar, wenn mit ihnen lediglich auf behinderungsbedingte Störungen des Vertrags reagiert wird.
Dies gilt auch, wenn darin im Hinblick auf die Behinderungen und die deshalb gem. § 6 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B verlängerten Ausführungsfristen zeitliche Konkretisierungen erfolgen.“
Dabei erklärt der BGH ausdrücklich, dass er an seiner vorherigen Rechtsprechung nicht weiter festhält.
Im Rahmen dieser eh schon für die Auftragnehmer ungünstigen Entscheidung hat der BGH noch eine weitere wichtige Klarstellung getroffen, nämlich, dass in der nicht rechtzeitigen Zurverfügungstellung von Vorleistungen keine Pflichtverletzung des Auftraggebers gesehen werden könne, sofern im Vertrag zwischen den Parteien keine entsprechende Pflicht des Auftraggebers festgehalten sei. Es läge dann lediglich ein Verstoß gegen eine Obliegenheit vor, die keinen Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 6 S. 1 VOB/B begründen könne.
In dem vom BGH entschiedenen Fall kam als weitere Anknüpfungstatsache für Ansprüche des Auftragnehmers noch in Betracht, dass der Auftraggeber, jedenfalls nach Meinung des Auftragnehmers, die Ausführungsplanung verzögert übergeben hatte. Hierin könne, nach Auffassung des BGH eine Pflichtverletzung liegen, da der Auftraggeber gegebenenfalls gegen seine Pflicht aus § 3 Abs. 1 VOB/B verstoßen haben könnte.
Im Endeffekt, und deshalb hat der BGH die Klärung dieser Frage offengelassen, scheiterte der Anspruch des Auftragnehmers mal wieder an der konkreten, bauablaufbezogenen Darstellung, da, nach Auffassung des BGH, der bloße Verweis auf die vom Auftraggeber erstellten Bauablaufpläne und die sich hieraus ergebende Verlängerung der Gesamtbauzeit nebst der verschiedenen zeitlichen Verschiebungen nicht ausreiche, um abzuleiten, inwieweit die Behinderungen auf der verzögerten Übermittlung der Ausführungspläne und inwieweit auf einer nicht rechtzeitigen Zurverfügungstellung von Vorleistungen beruhen.
Im Ergebnis ging der Auftragnehmer leer aus.
Fazit:
Aus Auftragnehmer-Sicht ist die Entscheidung des BGH eine Ohrfeige, auch wenn sie vielleicht rechtsdogmatisch richtig ist, da in der Übermittlung von Informationen nicht ohne weiteres eine rechtsgeschäftliche Erklärung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B gesehen werden kann.
Von nun an muss in solchen Fällen also auf die schwierigen Regelungen des § 6 VOB/B zurückgegriffen werden. Um die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage bestmöglich zu sichern, ist allen Auftragnehmern anzuraten, in die Bauverträge eine vertragliche Pflicht des Auftraggebers aufzunehmen, wonach Vorleistungen rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden müssen, damit der Auftragnehmer seine Leistungen termingerecht erbringen kann. Bestenfalls sollten hier konkrete Zeitpunkte entsprechend des vereinbarten Bauzeitenplans festgelegt werden.
Zum Autor:
Rechtsanwalt Jörg Bach ist Gesellschafter und Partner der Kanzlei EISENBEIS PARTNER.
Er ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie für Miet- und Wohnungseigentums-recht und vertritt deutschlandweit namhafte Bauunternehmen und Planerbüros bei der Durchsetzung ihrer Rechte.
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